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NARM: Therapie bei frühem Bindungs-
Beziehungs- und Entwicklungstrauma
NARM: Neuro Affective Relational Model™
(Neuroaffektives Beziehungsmodell)
Entwicklungstrauma heilen nach Dr.
Laurence (Larry) Heller [1]
Verbindung: Unsere tiefste Sehnsucht und
grösste Furcht
Trauma bedeutet Verletzung. Entwicklungs-
traumata sind unverarbeitete Verletzungen
aus der Kindheit, sehr oft unbewusst, die
bis heute belastend nachwirken. In erster
Linie ist hier von psychischen, seelischen
Verletzungen die Rede. Frühe traumatische
Erfahrungen, wie sie die meisten von uns in
kleinerem oder auch grösserem Umfang er-
lebt haben, beeinträchtigen unsere Fähig-
keit, mit uns selbst und anderen wirklich in
Kontakt zu sein. So wird unsere Lebendig-
keit eingeschränkt, worauf die meisten psy-
chologischen und viele körperliche Proble-
me beruhen.
Fünf organisierende Grundbedürftnisse,
Entwicklungsthemen und Kernressourcen
1. Kontakt: Wir spüren, dass wir zur Welt
gehören. Wir sind in Kontakt mit unserem
Körper und unseren Emotionen und fähig
zu beständigen Verbindungen mit anderen.
2. Einstimmung: Wir kennen unsere Be-
dürftnisse und wissen, was wir brauchen.
Wir erkennen die Fülle, die das Leben bie-
tet und können sie annehmen.
3. Vertrauen: Wir haben ein inhärentes
Vertrauen in uns selbst und andere. Wir
fühlen uns sicher genug, um eine gesunde
Interdependenz mit anderen zuzulassen.
4. Autonomie: Wir können “nein” sagen
und Grenzen setzen. Wir sagen unsere
Meinung ohne Schuldgefühle oder Angst.
Wir können Wut aushalten und die Energie
daraus konstruktiv für unseren authenti-
schen Ausdruck nutzen.
5. Liebe-Sexualität: Unser Herz ist offen
und wir sind in der Lage, eine liebevolle Be-
ziehung mit einer vitalen Sexualität zu ver-
binden.
In dem Masse, in dem die fünf Grundbe-
dürftnisse erfüllt sind, erleben wir Regulie-
rung, Verbindung und Ausdehnung. Wir
fühlen uns sicher und vertrauensvoll gegen-
über unserer Umwelt, verbunden mit uns
selbst und anderen.
In dem Masse, in dem diese Grundbedürft-
nisse nicht erfüllt werden, leiden Selbstre-
gulierung, Identität und Selbstachtung,
denn für das Baby oder Kleinkind ist es we-
niger lebensbedrohlich, zu fühlen “mit mir
stimmt etwas nicht”, als “mit der Umgebung
stimmt etwas nicht”. Die ungenügende Er-
füllung der Grundbedürftnisse geschieht
meist unabsichtlich. Einerseits werden Dys-
regulationen der Elterngeneration weiterge-
geben, andererseits können sich lange als
richtig geltende Erziehungsstile wie das
Baby allein schreien lassen, auf Dauer ne-
gativ auswirken - verglichen mit Kulturen
mit sehr viel mehr Körperkontakt. Lange
galt mehr Körperkontakt als absolut nötig
als “Verwöhnen”. Aber die Kleinen haben
noch keinerlei Möglichkeit zur Selbstre-
gulation; sie sind auf Regulation von aus-
sen und damit auf Kontakt angewiesen,
sonst entsteht mit der Zeit innere Not.
So entstehen Überlebensstile, um zu ver-
suchen, die Trennung und Dysregulation zu
bewältigen. Die Überlebensstile beeinflus-
sen unsere Erfahrungen und Handlungen
meist ein Leben lang. Die Identitätsverzer-
rungen sorgen dafür, dass wir uns selbst
und die Welt weiterhin aus der Kinderper-
spektive wahrnehmen, z. B.: “Ich bin
schlecht, nicht liebenswert oder verdiene
dies oder das (nicht)”. Die kindliche Sicht
wirkt nach, da damals die Umgebung die
frühen Bedürftnisse nicht ausreichend ab-
decken konnte. Daraus ensteht auch das,
was oft “der innere Kritiker” genannt wird.
Das ist aber keine eigenständige Person,
sondern wir selber machen uns (meist un-
bewusst) runter. NARM holt diese unbe-
wussten Muster ins Bewusstsein im Sinne
der Selbstwirksamkeit (agency). NARM
fragt zum Beispiel “Wie ist es, wenn ich mir
diese negativen Dinge sage oder mich be-
schäme?” Und schon besteht die Möglich-
keit, etwas daran zu ändern, was zuvor un-
hinterfragbar schien: “Es ist einfach so und
war schon immer so.” Aber es muss nicht
so bleiben.
In den ersten Lebensjahren wird der
grösste Teil unserer Identität geformt. Aber
die verpasste gesunde Entwicklung kann
mithilfe von NARM nachgeholt werden, so
dass nicht länger das Gefühl vorherrscht,
Opfer der eigenen Geschichte oder der
Umstände zu sein (Erwachsenenperspek-
tive). Indem Identitätsverzerrungen, ge-
ringes Selbstwertgefühl, Selbstverurtei-
lung und Scham dekonstruiert werden,
wachsen gesunde Ausdrucksformen un-
serer Lebendigkeit und die Fähigkeiten
zur Bindung und Selbstregulation.
Wann ist NARM interessant für mich?
Überlebensstile
NARM-Therapie ist wertvoll, wenn eine
oder mehre der fünf Kernressourcen (siehe
links unten) teilweise beeinträchtigt ist und
der Wunsch besteht, etwas daran zu än-
dern. Das kann Formen annehmen wie im
Folgenden skizziert, ohne Anspruch auf
Vollständigkeit. Das sind die fünf Überle-
bensstile, die den fünf Grundbedürftnis-
sen zugeordnet sind:
1. Kontaktverlust zu den eigenen Emotio-
nen und zum eigenen Körper. Rein intellek-
tuell (wahlweise spirituell) und oft stolz da-
rauf. Kaum etwas fühlen und spüren, denn
das macht Angst. Schwierigkeiten im Kon-
takt mit anderen. Gefühl, nicht dazuzuge-
hören bis hin zu Zweifeln an der eigenen
Existenzberechtigung.
2. Die eigenen Bedürfnisse nicht kennen/
wahrnehmen oder meinen, es nicht zu ver-
dienen, dass sie erfüllt werden. Stolz, we-
nig zu brauchen, aber gebraucht zu wer-
den. Oder stets bedürftig, nichts vermag
die Bedürftnisse zu stillen, wobei man sich
leer fühlt (kann mit Sucht, Suchtverhalten,
Abhängigkeit zusammenhängen).
3. Glauben, sich auf niemanden verlassen
zu können ausser sich selbst. Sich klein,
hilflos, benutzt, verraten fühlen. Vielleicht
zur Kompensation andere klein machen,
benutzen, verraten, entweder verführend
oder brachial.
4. Sich belastet und unter Druck fühlen,
nicht klar nein sagen können. Brav, Angst
zu enttäuschen und stolz darauf, wie viel
man ertragen kann. Oder Rebell bzw.
heimliche Freude daran, zu enttäuschen.
Wut nicht zulassen oder destruktiv aus-
agieren.
5. Probleme, Herz und Sexualität zu inte-
grieren. Manchmal übersexuell oder prüde.
Selbstwertgefühl basiert auf Aussehen oder
Leistung, daher oft endlose Selbstoptimie-
rung.
Ursprünglich sind die Überlebensstile
adaptiv und repräsentieren Erfolg, nicht
Pathologie. Schliesslich haben wir auch
unter schwierigen Umständen überlebt. Da
das Gehirn jedoch die Vergangenheit be-
nutzt, um die Zukunft vorherzusagen, blei-
ben diese Überlebensmuster in unserem
Nervensystem fixiert und schaffen eine
adaptive, aber falsche Identität. Es ist das
Fortbestehen von Überlebensstilen, die der
Vergangenheit angemessen sind, das die
gegenwärtige Erfahrung verzerrt und Sym-
ptome erzeugt. Da diese Überlebensmus-
ter ihre Nützlichkeit überlebt haben, schaf-
fen sie eine ständige Trennung von unse-
rem authentischen Selbst und von andern.
Eine gewisse Entwicklungs-Traumatisie-
rung ist in unserer Kultur die Regel, nicht
die Ausnahme, da wir uns so stark von der
Natur, auch unserer inneren, entfernt ha-
ben. Sie ist nicht nur ein individuelles, son-
dern auch ein kollektives Phänomen.
Im NARM-Ansatz arbeiten wir gleichzeitig
mit der Physiologie und der Psychologie
von Menschen, die ein Entwicklungstrauma
erlebt haben, insofern spreche ich von Kör-
perpsychotherapie (body psychotherapy).
Die spontane Bewegung in uns allen geht
in Richtung Verbindung und Gesundheit.
Kurz: Eigene Stärken pflegen anstatt alte
Überlebensmuster stets zu wiederholen.
[1]
Buchtipp: “Entwicklungs-
trauma heilen” von Laurence
Heller und Aline Lapierre,
2013. Originaltitel: “Healing
Developmental Trauma”, 2012